Doppelt besonders (Wiesbadener Kurier, Donnerstag, 12.11.2020)

 

Stadt zeichnet Fachberatungsstelle Geflüchtete und Netzwerk für Integrationspartner aus

Von Hendrik Jung

 

WIESBADEN. Die 14. Ausgabe des Wiesbadener Integrationspreises ist in doppelter Hinsicht eine besondere. Zum einen muss die feierliche Übergabe im Festsaal des Rathauses auf kommendes Jahr verschoben werden. Dann sollen die Preisträger gemeinsam mit denen des kommenden Jahres geehrt werden. Zum anderen wird der Preis samt dem dazugehörigen Preisgeld in Höhe von 2500 Euro erstmals geteilt. „Der Jury ist es schwer gefallen, nur einen Preisträger auszuzeichnen, aber es ist ihr leicht gefallen, in diesem Jahr zwei zu wählen“, berichtet der Vorsitzende der Jury, Sozialdezernent Christoph Manjura (SPD). Gut ein Dutzend Jurymitglieder aus Magistrat, Stadtverordnetenversammlung, Ausländerbeirat und Religionsgemeinschaften sind gleichermaßen angetan von der Arbeit der Fachberatungsstelle für traumatisierte geflüchtete Menschen wie vom Engagement im Netzwerk für Integrationspartner Gemeinsam in Wiesbaden (NeW).

Im Fall der Fachberatungsstelle NeW Wiesbaden drückt sich die Wertschätzung außerdem dadurch aus, dass die Landeshauptstadt seit Mai dieses Jahres das wöchentliche Zeitkontingent von 50 Stunden finanziert.

Begonnen hat das Projekt des Psychosozialen Zentrums Süd der Werkgemeinschaft drei Jahre zuvor mit Unterstützung der Aktion Mensch. Es stellt ein niedrigschwelliges Angebot vorwiegend für Menschen dar, die wegen ihrer Flucht nach Deutschland unter Traumafolgestörungen leiden.

Traumata stören beim Lernen

Zwei Fachberaterinnen für Psychotraumatologie und ein Systemischer Traumatherapeut arbeiten zum Teil mit Unterstützung von Übersetzern daran, diese Menschen zu stabilisieren. „Symptome wie Konzentrationsschwierigkeiten und Schlafstörungen stören beim Spracherwerb. Wir setzen uns ein, um diesen wichtigen Punkt zu ermöglichen. Neben den kreisenden Gedanken, Raum dafür zu schaffen“, erklärt Alena Rompf, die stellvertretende Leiterin des Psychosozialen Zentrums Süd. In den vergangenen dreieinhalb Jahren habe man in der Fachberatungsstelle bereits 230 Personen unterstützt. Derzeit befänden sich 76 Hilfesuchende in Beratung. „Die Zahl der Klienten sinkt nicht. Bis jetzt haben wir keinen Einbruch feststellen können. Wir haben auch Klienten, die bereits seit zehn Jahren in Deutschland sind und jetzt erst bereit sind, das Thema anzugehen“, verdeutlicht Rompf.

Geflüchtete werden auf ihrem Weg zur Fachberatungsstelle zum Teil von ihren ehrenamtlichen Patinnen und Paten begleitet. Diese wiederum erfahren ihrerseits Unterstützung vom Netzwerk für Integrationsparnter, das sich aus neun Organisationen zusammensetzt, die noch fünf Kooperationspartner haben. „Die Welle der Hilfsbereitschaft, die im Jahr 2015 entstanden ist, musste irgendwo hin. Es war wichtig, in kürzester Zeit Strukturen zu schaffen“, erklärt Karin Falkenstein, die Leiterin des Bereichs Freiwilliges Engagement beim Evangelischen Verein für Innere Mission in Nassau (Evim). Menschen, die sich in ihrer Freizeit freiwillig für die Integration Asylsuchender einsetzen, finden in den Mitgliedern des Netzwerks nicht nur Ansprechpartner bei Problemen, sondern auch Angebote zur Fortbildung. Rund 1300 Patenschaften seien in den vergangenen fünf Jahren übernommen worden. „Auch im Moment gibt es die Möglichkeit, sich zu engagieren. Sprache kann man auch online erwerben und anwenden“, verdeutlicht Adriana Ruiz, die beim Jugendhilfeverbund Antoniusheim das Patenprojekt leitet. Sie würde sich mehr Anreize für Menschen wünschen, die sich ehrenamtlich für Geflüchtete einsetzen. Der Wiesbadener Integrationspreis stellt nun auf jeden Fall eine Anerkennung für dieses Engagement dar.

 

INTEGRATION

Wer sich ehrenamtlich für die Integration Geflüchteter engagieren möchte, findet alle Netzwerkpartner auf: www.gemeinsam-in-wiesbaden.de

Weitere Informationen über die Fachberatungsstelle für traumatisierte geflüchtete Menschen finden sich auf www.new-wiesbaden.de

 

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